Erfindungs wahn!

für das Berliner Medizinhistorische Museum
Kurator*innen:
Prof. Dr. Monika Ankele
Daniela Hahn

 

Grafik: Gruetzner Triebe

 

Aubau:

raumlaborberlin: Marie Dewey, Olof Duus, Miriam Kassens, Claire Mothais

mit:

Museums – und Ausstellungtechnik Bernd-Michael Weisheit

 

Modellbau Luftsegelschiff: Bernd-Michael Weisheit

 

Photos © raumlaborberlin

Ausstellung bis 19.April 2026 verlängert.

 

Mit einer Krankenakte aus dem Archiv der Charité nimmt die Ausstellung ihren Anfang. Sie erzählt die Geschichte eines Patienten, der 1909 in die Psychiatrische Klinik aufgenommen wird.

Unermüdlich arbeitet er dort an der Erfindung eines Segelluftschiffs, einer Konstruktion, die ihm nicht nur helfen soll, die Mauern der Psychiatrie zu überwinden. Unter dem Namen „Ingenieur von Tarden“ möchte er in Erinnerung bleiben.

Für die Ausstellung hat raumlaborberlin eine dreiteilige Installation geschaffen. Nach der Einführung tauchen die Besucherinnen und Besucher physisch in die Krankenakte des Ingenieurs von Tarden ein. Übergroße Papierbahnen umhüllen den Raum und die Betrachtenden, die sich in den Gedanken des Patienten und in den Kommentaren der behandelnden Ärzte verlieren können. Man soll sich in seinen Kopf hineinversetzen, in den Wahn eintauchen, sich von der Realität lösen.

Darauf folgt eine Lichtung: Das Modell des Segelluftschiffs durchbricht die Papierhülle der Akte und öffnet einen neuen Raum. Im Hintergrund erscheinen Projektionen: das erste Luftschiff, das über den Himmel Berlins zieht.

Die Geschichte des Ingenieurs von Tarden führt uns in eine Zeit, in der die Zeppelin-Euphorie ihren Höhepunkt erreicht. In dieser Epoche diagnostiziert die Psychiatrie den sogenannten „Erfindungswahn“, eine Zuschreibung, die nicht nur individuelle, sondern auch kollektive gesellschaftliche Zustände beschreibt. Zugleich ringt die damals noch junge akademische Disziplin darum, ihre eigenen Grenzen zu bestimmen und den Gegenstand ihres Forschens, die menschliche Psyche, zu fassen.

Im letzten Teil der Ausstellung kehrt man in die Realität dieser Zeit zurück: Eine Wandcollage aus Bildern von Zeppelinflügen, Büchern und Projektionen überlagert sich zu einem dichten Panorama. Hier werden echte Patente für Flugobjekte sowie Zeichnungen anderer Psychiatriepatienten gezeigt. Die Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, selbst zu gestalten und ihr eigenes Segelluftschiff oder Flugobjekt zu entwerfen.

Die Ausstellung zeigt die Verwobenheit von Psychiatrie, Individuum und Gesellschaft, legt ihre Konstruktionen und Projektionen frei und öffnet mit einer Rauminstallation des Mahony Collective, einer literarischen Erzählung von Teresa Präauer und einer Rekonstruktion des Segelluftschiffes durch Bernd-Michael Weisheit vielfältige Resonanzräume.